Editorial: 500Gramm - 0 Nummer - April 2010

 

Läßt sich Literatur abwiegen? Und ob! Gewicht muß sie nämlich haben auf der Waage des Geistes. Gute Texte geben sich weder leicht, noch lasten sie tonnenschwer, sondern sind findig und pfundig. Wer in einem Journal blättert, sollte auf Funde und Pfunde gefaßt sein. Auf 500 Gramm eben! Ein mittleres Gewicht: Schwer genug, um zu fesseln, leicht genug, um es zu fassen. Mit dieser Ausgabe (Nullnummer) stellen wir ein Journal zwischen Sudelheft und Hochglanzbroschüre vor, das literarisch schöpferische Texte veröffentlicht. Als Leserinnen und Leser wünschen wir uns Menschen jeden Alters, die Lust haben, bislang unveröffentlichte deutschsprachige Texte (Aphorismen, Essays, Gedichte, Glossen, Kritiken, Kurzgeschichten und andere Kleingattungen) zu lesen.

 

Die Graphiken stellen eigenständige und unabhängige Beiträge dar; Literatur und bildende Kunst entwickeln unterschiedliche, einander widersprechende und ergänzende Blickwinkel; Begriff und Anschauung sind aufeinander angewiesen. Erst in ihrem Zusammenspiel wird die Vielschichtigkeit der Wirk- und Möglichkeiten faßlich.

 

Deutsch ist Muttersprache von weltweit über hundert Millionen Menschen. Einige der schönsten Gedichte der deutschen Sprache wurden in der Fremde verfaßt. Große deutsche Dichtung ist auch im Exil entstanden. Literatur muß Grenzgänger und stets unterwegs sein. Im Medium Bild treffen und finden sich Welt und Mensch.

 

Die hier vorgestellten, sprachlich wie gedanklich, ästhetisch wie ethisch anspruchsvoll und überzeugend gestalteten Texte und Drucke verstehen sich als Fenster, die den Blick freigeben auf echte und aufrechte Welterfahrung und so zu einer humanen und zukunftsfähigen Weltsicht beitragen. Auch dafür steht 500 Gramm: ein Gewicht gegen Kitsch, Ramsch und Schund!

 

Wir veröffentlichen Literatur und Graphik im Schnittpunkt von Welt und Heimat, Denken und Sehen, verfaßt von Menschen unter uns, Nachbarn, deren Nabelschnur hier durchtrennt wurde oder deren Lebensfaden hier festgemacht ist. Migranten sind wir alle, unterwegs zu Zielen jenseits des Greif- und Verfügbaren, gastlichem Gestade zutreibendes Strandgut des Schicksals. Darüber sollten wir miteinander ins Gespräch kommen! Leserzuschriften sind uns daher willkommen. Vorbehaltlich Kürzungen werden wir diese in Auswahl abdrucken.

 

Wir wünschen gute Unterhaltung bei dieser Uraufführung! Bleiben Sie uns gewogen und reichen Sie uns weiter.

 

Die Redaktion
Bonn, April 2010